Vortrag Prof. Dr. Guido Knopp 11.11.2004

Am Abend des 11.11.2004 konnten die Gäste und Mitglieder des Lions Club Aschaffenburg-Pompejanum Prof. Dr. Guido Knopp als Referent zum Thema „Das 20. Jahrhundert – vom deutschen Europa zum europäischen Deutschland“ im Ridinger-Saal des Aschaffenburger Schlosses begrüßen.

Prof. Dr. Guido Knopp, Jahrgang 1948, promovierter Historiker, ehemaliger Auslandschef der "Welt am Sonntag", ist seit 1984 Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte und lehrt als Professor Journalistik. Verfasser zahlreicher Fernsehdokumentationen, die Grundlage erfolgreicher Bücher waren, u.a. "Der verdammte Krieg" (1991), "Bilder, die Geschichte machen" (1992), "Entscheidung Stalingrad" (1993), "Die großen Fotos des Jahrhunderts" (1994), "Top-Spione" (1994) sowie " Hitler. Eine Bilanz" (1995). Für seine journalistischen Leistungen wurde er u.a. mit dem Europäischen Fernsehpreis (1988), dem Telestar (1990) und dem Bundesverdienstkreuz (1990) ausgezeichnet.

 

 

»Das 20. Jahrhundert dauerte nur 75 Jahre«

Einen Vortrag über »das furchtbare und faszinierende 20. Jahrhundert« hielt der Historiker Guido Knopp am Donnerstagabend im Ridingersaal des Schlosses Johannisburg. Der gebürtige Aschaffenburger, der seit 20 Jahren das Ressort Zeitgeschichte beim ZDF leitet, war vom Aschaffenburger Lions-Club eingeladen worden.

Mit seinen preisgekrönten Fernsehdokumentationen gelingt es Guido Knopp, auch die Masse der Bevölkerung für die deutsche Geschichte zu interessieren. Leicht verständlich und unterhaltsam präsentierte er auch seinen Vortrag »Das 20. Jahrhundert - Vom deutschen Europa zum europäischen Deutschland.«

Seiner Ansicht nach dauerte das 20. Jahrhundert nur 75 Jahre: Von 1914, als »in Europa alle Lichter verlöschen«, bis zum Fall der Berliner Mauer 1989. Der promovierte Geschichtswissenschaftler spricht metaphorisch und eindringlich, will die Ereignisse der Vergangenheit, die in Dunkel und Unwissen zu versinken drohen, ans Tageslicht zerren. Den Kriegsausbruch 1914 hätten »die naiven Massen« als »grandiosen Rausch, als Erlösung vom Elend der Normalität« erlebt. Zwischen den zwei Weltkriegen hat es Knopps Ansicht nach nie wirklich Frieden gegeben, denn der von den Deutschen als ungerecht empfundene Versailler Vertrag war »schon der Todeskeim der Weimarer Republik.«

Als »Super-Gau« des Jahrhunderts bezeichnet er die Folgen von Hitlers »Machterschleichung«. Das Fatale sei, dass niemand ihn und seine Wahnideen richtig ernst genommen habe. Hitlers »Mein Kampf« nennt Knopp den »ungelesensten Bestseller der deutschen Literatur«. Dabei habe er darin schon seine Visionen von einem »deutschen Europa vom Atlantik bis an den Ural« verbreitet.

Knopp stellt sich und dem Publikum die Frage, ob es wohl die Geschichte verändert hätte, wenn eins der 41 Attentate auf Hitler geglückt wäre, wenn die Bombe vom 20. Juli 1944 ihn getötet und nicht nur leicht verletzt hätte. »Es hätte Millionen das Leben gerettet«, meint Knopp. Der Krieg wäre ein Jahr früher zu Ende gewesen. »Und gerade in den letzten Kriegsmonaten mussten mehr Menschen sterben als in den fünf Jahren zuvor.«


Nur die »Angst vor der Atombombe« habe im Kalten Krieg den Frieden aufrechterhalten, bevor es 1989 zur »ersten deutschen Revolution kam, die glückte«. Als eigentlichen Tag der Entscheidung bezeichnet Guido Knopp den 9. Oktober 1989, als in Leipzig 70 000 Menschen, umgeben von bewaffneten Sicherheitsleuten, »voller Angst und Mut« für die Freiheit demonstrieren.

Schmunzelnd erzählt Knopp Details, die nur Insider wissen: Die Wiedervereinigung sei unter anderem deshalb so schnell vonstatten gegangen, weil »die Sowjets mit allen Tricks herausfinden wollten, was Bonn denn bezüglich der Wiedervereinigung schon geplant habe«. Dabei hatte man in Bonn noch gar nichts geplant, sei dadurch beinahe erst auf die Idee gekommen. Zu überhastet war die Wende dennoch nicht: »Die Tür stand nur ein Stück weit offen, und das auch nur für kurze Zeit.«

Zum Abschluss seines Vortrags fordert Knopp von den Deutschen, eine »tolerante und gelassene Form des Selbstbewusstseins« zu entwickeln. Anstatt mit einem »pessimistischen Wir-Bewusstsein herumzulaufen« hätten die Deutschen eigentlich »Grund zum Frohlocken«, da sie zum ersten Mal in Frieden lebten und nur von Verbündeten in Europa umgeben seien. Junge Menschen solle man nicht mit negativen Zukunftsprognosen abschrecken, sondern fördern, um eine »Aufbruchsstimmung« zu schaffen. Nach der Versöhnung mit der eigenen Geschichte müsse endlich ein Wandel im Denken und Handeln einsetzen. »Wenn wir nichts tun, versinken wir Deutschen bald im Mittelmaß.«

Quelle:Mainecho vom 15.11.2004